Heinrich Von Kleist

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36 Seiten, mit Illustrationen. Serie: Kleine Bibliothek des Wissens; Lux-Lesebogen, Natur- und Kulturkundliche Hefte.
- Der zerbrochene Krug - Ulrike von Kleist - Penthesilea - Das letzte Lied

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KLEINE B I B L I O T H E K DES WISSENS LUX-LESEBOGEN NATUR- UND KULTURKUNDLICHE HEFTE K A R L H E I N Z D O B SKY HEINRICH VON KLEIST VERLAG SEBASTIAN MURNAU-MüNCHEN- LUX INNSBRUCK-BASEL DER ZERBROCHENE KRUG „Fällt der Stein auf den Krug, wehe dem Krug. Fällt der Krug auf den Stein, wehe dem Krug. Immer: wehe dem Krug." TALMUD Das Jahr 1777 ist für das krieggewohnte Europa endlich einmal ein Jahr ohne Schlachtenlärm und Schwertgeklirr. Nur aus der Neuen Welt jenseits des Atlantik kommen verwirrende Nachrichten vom amerikanischen Unabhängigkeitskampf und von einer „Erklärung der Menschenrechte" — was den Kurfürsten von HessenKassel freilich nicht davon abhält, auch weiterhin seine Untertanen an die englische Krone zu verkaufen. Auf Schloß Ermenonville in Frankreich verdämmert das Leben Jean Jacques Rousseaus, der einst sein „Zurück zur Natur" verkündet hatte; und in Salzburg erbittet der einundzwanzigjährige Hofkapellmeister Wolfgang Amadeus Mozart in zierlich verschnörkelten Worten seine Entlassung aus fürsterzbischöflichen Diensten. Auf der Mittelmeerinsel Korsika, die Frankreich erst kürzlich den Genuesen abgekauft hat, plagt sich der Abbate und Schulvorsteher Recco mit seinem ungebärdigsten Zögling, einem achtjährigen Advokatensohn. Der Junge heißt Napoleone Buonaparte — er sträubt sich heftig gegen das Erlernen der französischen Sprache, obwohl er sie später noch gut wird gebrauchen können. Der Großmeister dieser Sprache, Herr Franjois Marie Arouet, der sich Voltaire nennt, genießt den Lebensabend als wohlhabender Landedelmann auf seinem Herrensitz Ferney, flüchtig nur der zerbrochenen Freundschaft gedenkend, die ihn einst mit dem gekrönten Philosophen von Sanssouci verbunden. 2 „Die Alten müssen den Jungen Platz machen, damit jede Generation ihren Platz findet. . .", schreibt Friedrich der Große an die Schwester. Aber noch denkt er gar nicht daran, Platz zu machen seit dem Hubertusburger Frieden steht seine Armee in voller Kriegsstärke in den Garnisonen, und der preußische Ständestaat seufzt unter drückenden Steuerlasten. Während im Oder-, Wartheund Netzegebiet Axt und Pflugschar über neugerodetem Ackerland und neuerrichteten Bauernsiedlungen klirren, schleichen durch Preußens Städte, bespöttelt und verachtet, die königlichen „Kaffeeriecher", um die Bürgerhäuser nach zoll- und steuerpflichtigen Waren zu durchschnüffeln. Teuer erkauft sind Kriegsruhm und Siegeslorbeer — das Volk murrt gegen den Altersstarrsinn seines Großen Königs, der sich immer mehr in eisiger Einsamkeit verschließt. Seine Strenge erbittert die Offiziere und Soldaten, und in der Armee nehmen Selbstmorde und Desertionen überhand, zum Schrecken der Garnisonsstädte. Auch die fünfhundertjährige Oderstadt Frankfurt beherbergt Soldaten — das Regiment des Herzogs Leopold von Braunschweig, eines Neffen König Friedrichs. Im Jahre 1777 erhält das GarnisonKirchenbuch neben vielen anderen Beurkundungen auch folgende Eintragung: „Dem Herrn Joachim Friedrich von Kleist, Capitän des hochfürstlich Leopold von Braunschweigischen Regiments, wurde hierselbst von seiner Ehegattin Juliane Ulrike, geb. von Pannwitz, am 18. Oktober 1777 nachts um 1 Uhr ein Sohn geboren, welcher in der Heiligen Taufe am 27. Oktober die Namen Bernd Heinrich Wilhelm erhalten hat. Taufpaten waren Herr Obrist von Forcade, Herr Major von Kleist, Herr Major von Bonin, Herr Capitän von Manteuffel, Frau Obrist von Egloftstein, Frau Majorin von Burgsdorff, Frau Hauptmann von Kamke, Gräfin von Schmetta