Der Grüne Skarabäus


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Phillip Vandenberg Der grüne Skarabäus Roman V2.0 Dieses E-Book ist die elektronische Sicherungskopie eines Printmediums. Es ist nicht verkäuflich. Scanned by Doc Gonzo Lizenzausgabe mit Genehmigung der GUSTAV LÜBBE VERLAG GmbH für Bechtermünz Verlag im Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1997 © 1994 by Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Umschlaggestaltung: Studio Höpfner-Thoma, München Gesamtherstellung: Ebner Ulm Printed in Germany ISBN 3-86047-837-0 1 ER HATTE SICH DAS ALLES GANZ ANDERS vorgestellt; schließlich war es nicht seine erste Auslandsbaustelle. In Indien hatte er den Oberlauf des Ganges gestaut, in Persien jene Meerwasserentsalzungsanlage errichtet, die als ein technisches Wunder galt. Kaminski hatte überhaupt nur wenige Jahre zu Hause zugebracht; er nannte das Freiheit. Wäre er in all der Zeit derselben geregelten Tätigkeit nachgegangen, jeden Tag am selben Ort, er wäre vermutlich verrückt geworden oder blöde oder alt wie ein Greis. So aber war er, trotz seiner fünfundvierzig Jahre, ein durchaus jugendlich wirkender Kerl, braungebrannt von der Arbeit im Freien, die kurzgeschnittenen Haare nach vorn gekämmt und muskulös wie ein Ringer, ein richtiger Frauentyp also, was ihm bisweilen zum Verhängnis wurde. Nein, Abu Simbel hatte er sich ganz anders vorgestellt: mitten in der Wüste gelegen, eine karge Oase, umgeben von Hunderten Kilometern Sand, dazwischen der Nil, träge gestaut, Holzbaracken am Ufer und unbefestigte Wege, die nach jedem Sturm von Radladern freigeräumt werden mußten, und irgendwo eine Kantine mit einem Dach aus Wellblech und roh gezimmerten Tischen und Bänken, auf denen die Männer bei Gaslicht den halben Lohn versoffen. So war es in Indien, und in Persien war es nicht anders: Auslandsbaustelle. »Überrascht?« Lundholm, der Kaminskis staunende Blicke bemerkte, lachte. Das Casino war dicht besetzt. Es war Nacht. Kaminski nickte: »Donnerwetter. Und das mitten in der Wüste. Donnerwetter!« wiederholte er. Lundholm, der Schwede, hatte den Auftrag, den Neuen mit allen Einrichtungen des »Joint Venture Abu Simbel« bekanntzumachen. Er war wie Kaminski Bauingenieur, und die beiden sollten in den nächsten zweieinhalb Jahren zusammenarbeiten. Anders als Kaminski, der seine deutsche Herkunft nicht einmal während eines Sandsturmes hätte verleugnen können, sah man Lundholm den Schweden nicht an. Er war klein, eher dicklich, und sein dunkler Wuschelkopf verriet nur allzu deutlich die italienischen Vorfahren mütterlicherseits. »Indien war schrecklich«, begann Kaminski zaghaft, »in Persien hatten wir immerhin gemauerte Unterkünfte. Dafür kämpften wir jede Nacht mit den Ratten.« »Hier soll es Skorpione geben«, erwiderte Lundholm, und er fügte hinzu: »Aber zu Gesicht bekommen habe ich noch keinen.« »Und Schlangen?« Lundholm hob die Schultern. Abu Simbel war seine erste Auslandsbaustelle. Für Skanska, eine der am »Joint Venture Abu Simbel« beteiligten Firmen, hatte er bisher daheim in Schweden Brücken gebaut. »Schlangen sind gar nicht so übel«, nahm Kaminski den Faden wieder auf, »sie halten dir das Ungeziefer vom Leibe. Alte Erfahrung.« Und als er den ungläubigen Blick des Schweden sah: »Ja, vor Schlangen kannst du dich schützen, aber gegen Ratten, Mäuse und Mungos hast du keine Chance. Die werden immer mehr.« Dann griff er nach seinem Bier, leerte das Glas bis zur Hälfte und blickte in die Runde. »Geht es hier immer so gesittet zu?« fragte er mit einer Kopfbewegung auf die anderen Tische. Das Lokal war voll besetzt. An den quadratischen Tischen aus Stahlrohr herrschte ein Stimmengewirr aus Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Schwedisch und Arabisch. Die meisten Gäste waren Männer; aber bei näherem Hinsehen entdeckte Kaminski auch Frauen, meist nicht anders gekleidet als die Männer, in khakifarbenen Hosen und ebensolchen Hemden. »Wart's ab«, erwiderte Lundholm, »um