Ein Diplomatischer Zwischenfall


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Agatha Christie Ein diplomatischer Zwischenfall Scherz Bern München Wien Einzig berechtigte Übertragung aus dem Englischen von Marfa Berger Eine Sammlung aus den englischen Originalwerken: »The Adventure of the Christmas Pudding« und »The Hound of Death« Schutzumschlag von Heinz Looser Foto: Thomas Cugini 16. Auflage 1996, ISBN 3-502-50880-1 Copyrights © 1924 »The Adventure of the Christmas Pudding«, ©1933 »The Lamp«, ©1933 »The Call of Wings«, ©1925 »The Fourth Man«, © 1924 »The red Signal«, © 1925 »The Wireless« Gesamtdeutsche Rechte beim Scherz Verlag Bern und München Gesamtherstellung: Ebner Ulm Inhalt Ein diplomatischer Zwischenfall ................................................... 9 Die Lampe.................................................................................... 63 Rolltreppe ins Grab ...................................................................... 75 Der vierte Mann ........................................................................... 95 Das rote Signal........................................................................... 117 Am falschen Draht ..................................................................... 145 -7- -8- Ein diplomatischer Zwischenfall 1. »Ich bedauere außerordentlich –«, sagte Hercule Poirot. Man unterbrach ihn; allerdings nicht grob, sondern zuvorkommend liebenswürdig, geschickt. Man versuchte ihn eher zu überreden, als ihm zu widersprechen. »Bitte, lehnen Sie nicht von vornherein ab, Monsieur Poirot. Es geht hier um wichtige Staatsangelegenheiten. Ihre Mitarbeit wird in höchsten Kreisen Anerkennung finden.« »Sie sind zu gütig«, winkte Hercule Poirot ab, »aber ich kann Ihrer Bitte auf keinen Fall Folge leisten. Während dieser Jahreszeit...« Mr. Jesmond unterbrach ihn wieder. »Während der Weihnachtszeit...« Er suchte nach einem Köder. »Während eines traditionellen Weihnachtsfestes auf dem Lande...« Hercule Poirot schüttelte sich. Die Vorstellung, die Weihnachtszeit in England auf dem Lande verbringen zu müssen, reizte ihn gar nicht. »Ein schönes, geruhsames Weihnachtsfest«, wiederholte Jesmond noch einmal mit Nachdruck. »Ich – ich bin kein Engländer«, antwortete Hercule Poirot. »Weihnachten ist in meiner Heimat ein Fest für Kinder. Wir Erwachsenen feiern hauptsächlich den Jahreswechsel.« »Aha«, sagte Jesmond. »In England ist Weihnachten etwas ganz Besonderes. Ich verspreche Ihnen, Sie werden in Kings Lacey ein so schönes Weihnachtsfest erleben, wie Sie es noch nirgends besser erlebt haben. Wissen Sie, in einem wundervollen, alten Haus – ein Flügel des Hauses stammt sogar aus dem 14. Jahrhundert.« Poirot schüttelte sich abermals. Der Gedanke an ein eng-9- lisches Herrenhaus aus dieser Zeit weckte unangenehme Erinnerungen in ihm. Er hatte zu oft in alten englischen Landhäusern gefroren. Er sah sich dankbar in seiner modern eingerichteten, gemütlichen Wohnung um. Hier gab es Heizöfen und die neuesten technischen Errungenschaften, die jegliche Zugluft verbannten. »Im Winter«, sagte er fest entschlossen, »bleibe ich in London.« »Ich glaube, Sie sind sich nicht darüber im klaren, daß es sich um eine sehr wichtige Angelegenheit handelt, Monsieur Poirot.« Jesmond sah seinen Begleiter an. Dann wandte er sich wieder Poirot zu. Dessen zweiter Besucher hatte bisher nur zwei höfliche, alltägliche Begrüßungsworte gemurmelt: »Guten Tag.« Er saß da und starrte auf seine gutgeputzten Schuhe. Äußerste Niedergeschlagenheit zeichnete sein kaffeebraunes Gesicht. Er war noch jung, nicht älter als dreiundzwanzig Jahre. Man sah ihm deutlich an, daß er sich elend fühlte. »Ja, ja«, sagte Hercule Poirot. »Natürlich handelt es sich um eine ernste Sache. Ich beurteile die Lage durchaus richtig. Seine Hoheit können meines aufrichtigen Mitgefühls versichert sein.« »Die Lage ist mehr als heikel.« Poirot wandte seinen Blick von dem jungen